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VW Grand California: Im Kasten über die Alpen

Mit dem Grand California mischt VW Nutzfahrzeuge erfolgreich im Segment der wohnlichen Kastenwagen mit. Wir haben die Sechs-Meter-Version intensiv ausprobiert.

Schon die Kurzversion des Gand California kommt schon ganz schön ausgewachsen daher Foto: Huber

Die Kurzversion des Gand California (es gibt auch eine 80 Zentimeter längere Ausführung) kommt schon ganz schön ausgewachsen daher. Er ist sechs Meter lang, knapp drei Meter hoch und mit Außenspiegeln 2,40 Meter breit. Das erfordert beim Unstieg vom Pkw eine deutliche Umstellung – etwa bei Brückendurchfahrten, beim Rangieren und bei Mautstationen – manche der Durchfahrten sind nur für zwei Meter hohe Fahrzeuge ausgelegt.

Wer beim Kauf des Camping-Crafters in hilfreiche Optionen investiert hat, kann sich etwa von Parksensoren, einer Rückfahrkamera und dem Parkassistenten entlasten lassen. Das funktioniert alles sehr gut – und auch der serienmäßige Seitenwindassistent macht einen guten Job. Das haben wir bei Sturmwind auf einer französischen Autobahnbrücke erfreut festgestellt.

Die riesige Schiebetür lässt sich relativ leise schließen Foto: Huber

Insgesamt ist das Fahren mit dem großen Bruder des California auf Bus-Basis ein echtes Vergnügen. Er ist übersichtlich, man sitzt komfortabel, der 177-PS-TDI mit zwei Litern Hubraum schnurrt leise und zieht souverän, die Achtgang-Automatik ist fix und legt eigentlich immer den Gang ein, den man auch bei einem manuellen Getriebe wählen würde.

Für ein Gefährt dieses Zuschnitts mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen blieb der Verbrauch auf unserer gut 2.800 Kilometer langen Testfahrt knapp unterhalb der Zehn-Liter-Marke. Das ist beachtlich wenig. Zugegebenermaßen waren wir aber auch artgerecht zurückhaltend mit dem Gaspedal. Die Spitze von 162 km/h haben wir nicht ausgereizt. Apropos Gesamtgewicht: Nachdem der Grand California leer schon knapp über drei Tonnen wiegt, bleibt nur eine Nutzlast von 443 Kilogramm, das ist eindeutig zu wenig für die mögliche Besetzung mit einer vierköpfigen Familie und deren Urlaubs-Utensilien. Immerhin darf der Kasten bis zu 2,5 Tonnen ziehen.

Im Inneren des Wohn-Crafters findet sich viel weißer Kunststoff. Foto: Huber

Aber jetzt geht es ans Wohnen. Der Hannoveraner bietet im Heck unter dem 155 bis 137 Zen-timeter breiten und 192 Zentimeter langen Querbett einen Kofferraum von 720 Litern, der nach vorne zum Wohnbereich mit zwei eingeschobenen Brettern abgetrennt ist. Die Schlafstatt ist dank durchgehender Tellerfedern trotz der dünnen Matraze erstaunlich bequem und ermöglicht einen erholsamen Schlaf – das haben wir in manch anderem Wohnmobil schon anders erlebt.

Klaustophobische Attacken sind im nur 50 Zentimeter hohen Hochbett nicht ausgeschlossen. Foto: Huber

Das ausziehbare Hochbett über dem Fahrerhaus misst 120 Zentimeter in der Breite und ist dank eines Klapp-Tricks auf der linken Seite 190 Zentimeter, auf der rechten 160 Zentimeter lang. Es kostet inklusive Aufstiegsleiter, Beleuchtung und Panoramadachfenster stolze 3611,65 Euro. Für ausgewachsene Erwachsene ist es aber wegen der Höhe von nur rund 50 Zentimetern definitiv nicht geeignet – es ist einfach zu eng, klaustophobische Attacken sind nicht ausgeschlossen.

Das Heckbett ist erstaunlich komfortabel. Foto: Huber

Eher eng geht es zwangsweise auch im Wohn- und Küchenbereich zu. Die Vordersitze sind drehbar, der Tisch wird dahinter eingeklemmt, die hintere Sitzbank ist bretthart und schmal, außerdem ist sie ziemlich knapp geschnitten, zwei Kindersitze passen nicht nebeneinander. Der Küchenblock mit zwei Gasflammen, Spüle, zusätzlichen Ablagen und dem großén Auszieh-Kühlschrank ist wirklich praxistauglich, dank 110-Liter-Frischwasser- und 90 Liter Abwassertank ist man auf Reisen erfreulich autark.

Mehr Bewegungsfreiheit durch das klappbare Waschbecken.

Die Toilette hat das allgemein übliche Format, hilfreich ist das klappbare Waschbecken, das etwa beim Duschen für das entscheidende Quentchen mehr Bewegungsfreiheit sorgt. Ziemlich knapp geht es in den Schränken für Geschirr, Lebensmittel, Kleidung und sonstiges Reisezubehör zu. Speziell die unter der hohen Decke umlaufenden Kleiderschränke sind nur sehr eingeschränkt nutzbar, weil sie zu schmal geschnitten sind und die wenigen Hemden, Hosen und T-Shirts, die überhaupt Platz finden, bei jedem Öffnen wieder herauspurzeln. Das nervt auf die Dauer. Zudem reichte das Stauvolumen bei unserem Test gerade so für zwei Personen. Wie hier vier Leute ihre Utensilien verstauen wollen, ist uns sein Rätsel.

Dank der großen Markise (1279,25 Euro) kann man‘ auch mal ohne Bäume aushalten. Foto: Huber

Mindestens 81.943,40 (!) Euro muss man aktuell für einen neuen Grand California ausgeben, seit unserer ausgedehnten Testfahrt wurde das Infotainmantsystem des Wohncrafters modernisiert. Wer weniger Geld ausgeben will, kann auf ein Lagerfahrzeug zurückgreifen, allein über das VW-Händlernetz wurden Mitte Dezember 2024 gut 30 Fahrzeuge ab 50.770 Euro angeboten. Text/Fotos: Rudolf Huber

VW T7 Multivan: Der Bulli bekommt einen Bruder

T6.1 raus, T7 rein – wer sich die Premiere des neuen Multivan in der Münchner „Motorworld“ als klassischen Baureihenwechsel vorstellt, der liegt völlig daneben. Denn VW Nutzfahrzeuge (VWN) setzt nicht auf die Generationenfolge – sondern erweitert das Angebot an Fahrzeugen für alle Fälle. Wobei der T7 die Rolle des eher smarten, schicken und coolen Lifestylers übernimmt, der T6.1 bleibt als Spezialist für den gewerblichen Einsatz und die Basis der Reisemobil-Ikone California.

Stolz auf den Neuzugang (v. l.): VW Nutzfahrzeuge-Chef Carsten Intra, Design-Chef Albert Kirzinger und Lars Menge (Leiter Produktmarketing) mit zwei T7 Multivan. © Rudolf Huber

Beim ersten Blick auf und in den Neuen wird klar: Die Nutzfahrzeugsparte um Design-Chef Albert Kirzinger hat es geschafft, den ikonischen Ansatz des seit 1949 gebauten Bulli in die Jetztzeit zu transferieren, ganz ohne nervige Nostalgie und ohne Einschränkungen bei der Alltagstauglichkeit. Der T7 ist zwar gegenüber dem T6.1 um sieben Zentimeter auf 1,90 Meter in der Höhe geschrumpft. Trotzdem bietet er Platz wie ein Großer. In Zahlen: 470 Liter Kofferraumvolumen bei voller Bestuhlung (bis zu acht Plätze) sind das eine Extrem. Und 4.053 Liter als Zweisitzer das andere.

Dazwischen ist Variabilität angesagt: Die Sitze lassen sich beeindruckend schnell ein – und ausbauen und zum leichteren Einsteigen hochklappen. Sie lassen sich im Fond einzeln, zu zweit oder zu dritt nebeneinander platzieren. Sie ermöglichen den Transport von vier Passagieren plus zwei oder drei Fahrrädern. Und weil das neue Schienensystem (auch mit verschiebbarem Trolley-Tisch) unter Strom steht, können sich sogar die Hintensitzenden über beheizbare Sitze freuen.

Die typische „Bulli-Linie“ zieht sich unter den Fenstern über die ganze Fahrzeugbreite. © Rudolf Huber

Der T7 schaut seinem Bruder sehr ähnlich – und trotzdem wirkt er ganz anders. Ein bisschen näher am Pkw, auch in der um 20 Zentimeter gestreckten Langversion, die es auf 5,17 Meter bringt. Innen gibt es massig Staufächer. Und natürlich ein modernes Bediensystem: Touch-Slider, immer ein Digital-Cockpit und ein bis zu zehn Zoll großes Display, insgesamt 29 Assistenzsysteme, viele davon natürlich optional.

Dazu ist der T7 immer online, bietet die aktuellsten Konnektivitäts-Möglichkeiten. Dazu feines Matrixlicht und sonstige Zutaten, die die Aussage von VW Nutzfahrzeuge belegen, mit den neuen Multivan ein Gefährt mit Premium-Anspruch auf die erstmals beim Bulli bis zu 19 Zoll großen Räder gestellt zu haben.

Digitale Instrumente, hohe Flexibilität, viele Ablagen: das Cockpit des neuen T7 Multivan. © VWN

Erstmals wird es den VW Bus auch als Plug-in-Hybrid geben, mit bis zu 50 Kilometer rein elektrischer Reichweite und einer Systemleistung von 218 PS. Dazu gibt es Benziner mit 136 und 204 PS und ab 2022 einen 150-PS-Diesel, der noch durch ein 50 PS stärkeres Aggregat ergänzt werden soll. Um bis zu einen Liter weniger sollen die Selbstzünder verbrauchen als im T6.1, das ist eine Menge – und unter anderem auf das um bis zu 200 Kilo niedrigere Gewicht und eine ausgefeilte Aerodynamik zurückzuführen. Grundsätzlich installiert ist ein Doppelkupplungsgetriebe.

Zu den Preisen äußerten sich die Hannoveraner bei der Weltpremiere noch nicht. Sie kündigten aber ein bestens ausgestattetes Sondermodell namens Energetic an, dazu sollen Editionsmodelle folgen. Die Ausstattungs-Staffelung wurde neu zusammengestellt, los geht es beim einfachen Multivan, dann folgen der Life und der Style.

Raumgreifend: Ein Enge-Gefühl kommt auch im hinteren Teil des T7 nicht auf.  © Rudolf Huber
Raumgreifend: Ein Engegefühl kommt auch im hinteren Teil des T7 nicht auf. © Rudolf Huber

Der Vorverkauf wird Ende September / Anfang Oktober 2021 starten. Die Markteinführung findet im November statt. Und für alle, die auch im T7 übernachten wollen: Nächstes Jahr wird es als Extra eine Matratze geben, die sowohl auf den geklappten Rücksitzen, wie auf dem Boden einen erholsamen Schlaf ermöglichen soll.

Ebenfalls nächstes Jahr folgen der Dritte und Vierte im Bunde der T-Modelle: der vollelektrische Lifestyle-Van ID.Buzz und der urbane Transporter ID. Buzz Cargo.

Text: Rudolf Huber/mid